Adebar

 

In diesem Jahr war Meister Adebar spät aus dem Süden zurückgekehrt. Die langanhaltenden winterlichen Temperaturen hielten ihn zurück. Voller Eile machte er sich an den Bau des Nestes. Schon bald stellte sich auch Frau Störchin ein.  Das reichhaltige Futterangebot, in den naheliegenden Wiesen, ließ einen zahlreichen Nachwuchs zu. Frau Störchin legte fünf Eier und pflegte sie, bis eines Tages ein zartes Knacken anzeigte, dass die jungen Störche bereit waren, das Licht der Welt zu erblicken. Von nun an hatten die Storcheneltern alle Schnäbel voll zu tun, um die kleine Bande satt zu bekommen. Fleißig flogen sie hin und her, um Futter herbeizuschaffen. Sie säuberten das Nest, schnäbelten mit ihren Kleinen und brachten ihnen eines Tages das Fliegen bei. Alles lief, wie sie es sich gewünscht hatten. Nur noch wenige Wochen trennten sie vom Tag, der großen Reise über den Ozean. Bis dahin mussten die Jungstörche sicher im Fliegen sein.

Die Storcheneltern schauten zuversichtlich in die Ferne. Bis sie merkten, dass eines ihrer Kinder nicht bereit war das Nest zu verlassen. Willi, der kleine Storchenjunge, stellte sich zwar auf den Nestrand, schlug mit den Flügeln, dann legte er die Flügel wieder an und betrachtete sich das Ganze von oben. ‚Nein, da hinunter, das ist mir zu gefährlich, das schaffe ich nicht‘, dachte er. Wie sehr sich die Storcheneltern auch bemühten ihm zuzureden, er ließ sich nicht erweichen. „Was soll nur werden“, sprach Mutter Storch eines Tages zum Vater. „Ich weiß es auch nicht. Soll ich ihm mal einen Schubs geben? Vielleicht klappt es, wenn er merkt, dass er fliegen muss“, schlug Vater Storch vor. „Die Idee gefällt mir gar nicht“, gab die Störchin zu bedenken. „Andererseits verhungert er, wenn wir in den Süden fliegen.“ Besorgt blickten die Eltern auf ihren Jungen. „Morgen müssen wir abfliegen“, kündigte eines Morgens Frau Störchin ihren Kindern an. „Es tut uns leid, Willi, aber es geht nicht anders.“ Traurig blickte Frau Störchin bei diesen Worten.

Am nächsten Morgen starteten sie schon früh zu ihrer großen Reise. Die ganze Storchenfamilie; außer Willi. Traurig blickte dieser seiner Familie nach. Wieder stand er auf dem Rand des Nestes, schlug mit den Flügeln und blickte nach unten.

Gegen Abend kam ein Mann des Weges. ‚Nun ist das Storchennest auch wieder leer, bald kommt der Winter‘, dachte er bei sich und blickte zum vermeintlich leeren Nest empor. „Was ist denn das?“ Erstaunt bemerkte er, dass sich etwas im Nest bewegte. Am nächsten Tag kam der Mann wieder vorbei, er hatte sich ein Fernglas mitgebracht und versuchte zu erkennen, was mit dem Nest los sei. „Ein Storch! Sie haben einen Storch zurückgelassen. Da muss ich mir wohl etwas einfallen lassen“, nahm er sich vor und begab sich zurück zu seinem Haus. Dort bereitete er seinen alten Stall vor, legte ihn mit Heu aus und rief seinen Freund Bernd an, der bei der Feuerwehr tätig war. Natürlich war Bernd gleich zur Hilfe bereit. Am Abend kam er mit seinem großen Feuerwehrauto und fuhr die Drehleiter aus, um an das Storchennest zu gelangen.  Er nahm den kleinen Willi unter den Arm und stieg mit ihm die Leiter wieder hinunter. Willi wurde nun in den Stall gebracht. Hier war es warm und auf der Wiese des Bauern hatte er reichlich Auslauf. Schon bald versuchte Willi zu fliegen. Zuerst auf die Hundehütte, dann auf das Hausdach und schon bald drehte er seine Runden über der Wiese. Die Winde wehten bereits kälter.  In den Süden konnte er nicht mehr fliegen, dazu war es längst zu spät. So überwinterte er im Stall des Bauern. Als im nächsten Jahr seine Eltern von ihrem langen Flug zurückkamen, begrüßte sie Willi und führte seine Flugkünste vor. Im kommenden Herbst flog auch er das erste Mal mit den anderen Störchen in den Süden. (Christina Telker)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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