Im Land der Elfen
Längst war der letzte Schnee fort getaut, die ersten Frühlingsboten reckten ihre Blütenkelche der Sonne entgegen. Familie Hase bereitete das Osterfest vor. Stare weckten täglich, mit ihrem frohen Gesang, Mensch und Tier. Die kommende Nacht sollte eine ganz besondere sein, auf die sich alle Lebewesen in Wald und Flur seit Tagen vorbereiteten. Die Bienen trugen bei ihrer Honigsuche die Einladungen zum Frühlingsfest aus. In jedem Jahr wurde der Frühling mit dem Tanz der Elfen begrüßt. In dieser Nacht entschieden sich die Jungelfen, bei welchem Baum sie ihr Leben verbringen würden. Dies war eine besondere Ehre für die Auserwählten. Flip, eine Jungelfe, sah sich in letzter Zeit ausgiebig nach einem Quartier um. Sie entschied sich für ein Leben im Wald, eine junge Buche hatte sie sich erwählt. Dieser Baum gefiel ihr in seinem zarten grünen Kleid besonders gut.
Nicht lange dauerte es und der Frühling war überall eingekehrt. Hell erstrahlte die Sonne und spannte ein breites, blühendes Band über Felder und Wälder aus. Von überall her grüßte es in den schönsten Farben. Flip schwebte jeden Morgen und jeden Abend durch ihren Wald, um zu sehen, ob eins der Lebewesen ihre Hilfe benötigte. Stand die Sonne voll am Horizont, zog sich die kleine Elfe ins Wurzelreich ihres Baumes zurück. Dort lebte sie in einem wohlig ausgestatteten Zauberreich.
Viel zu schnell ging der Sommer vorüber, längst trug der Wald sein farbenprächtiges Herbstkleid in Rost- und Rottönen. Nun suchte die kleine Elfe die letzten wärmenden Strahlen der Sonne. Bald wurde es Zeit, sich zum Winter-
schlaf zu begeben, bis im kommenden Frühling wieder alles Leben in der Natur neu erwachen würde. Borstel, der Igel, lag in seinem Laubhaufen, dicht an Elfchens Buche geschmiegt, um vor Wind und Wetter geschützt zu sein. Flip trat ihren letzten Flug in diesem Jahr an. Vielen Tieren hatte sie in diesem Sommer ihre Wunden geheilt und Trost gespendet. Nun wollte sie sehen, ob sich alle in ihrem Reich zur Winterruhe gebettet hatten. Plötzlich, Flip befand sich bereits auf dem Rückflug, da hörte sie ein leises Wimmern. Schnell begab sich die Elfe an den Ort des Geschehens und fand eine kleine Ameise, deren Bein eingeklemmt war. Ohne viel zu fragen, kam Flip ihr zur Hilfe, befreite das Beinchen und stellte fest, dass es gebrochen war. Mit Stöckchen und Gräsern legte sie geschickt eine Schiene an. Oh weh, am Horizont zeigte sich eine dicke, schwarze Wolke, der erste Schnee, würde in Kürze die Natur mit einer weißen Decke schmücken. Große Anstrengung kostete es Flip, die Ameise zu ihrem Bau zu begleiten, denn alleine hätte die Kleine es nie geschafft. Mit Freude wurde die Ameise in ihrem Volk begrüßt, wo man sie schon vermisst hatten.
Wie aber sollte es nun Flip zu ihrem Baum schaffen, sie war durch den plötzlich einsetzenden Schneesturm schon recht steif gefroren. Ihre Flügel konnte sie nicht mehr bewegen. „Flip, kleine Flip!“, tönte in diesem Moment ein Ruf an ihr Ohr. Die Elfe schaute sich um, konnte jedoch nichts und niemanden entdecken. „Hier bin ich!“, in Windeseile war Springschnell, das Eichhörnchen, den Baum hinuntergeklettert. „Eigentlich rühre ich mich bei diesem Wetter nicht aus meinem warmen Kobel. Für dich, kleines Elfchen, tue ich es gerne.“ „Springschnell, du bist meine Rettung! Danke!“, rief Flip hocherfreut. „Nun kuschle dich in meinen Schwanz und halte dich gut fest!“, rief das Eichhörnchen noch und schon ging es in großen Sprüngen von Baum zu Baum. Wie schön warm war es in dem flauschigen Fell! In wenigen Sprüngen war die Buche erreicht. Springschnell drehte noch einen Salto zum Abschied. Flip schlüpfte in ihre Wurzelhöhle, kuschelte sich in ihr warmes Moosbett und träumte von den Erlebnissen des Sommers, wenn sie erwachte, würden die Schneeglöckchen den Frühling einläuten. (Christina Telker)