Glöckchen in Gefahr

 

Sanft und lau wehte die Luft in dieser Nacht, als Glöckchen ihren Rundflug über die Wiese antrat. Das Mondlicht umhüllte Gräser und Blüten mit seinem silbernen Schein. Jede Nacht flog die kleine Elfe über ihre Wiese, um zu sehen, ob es Käfern und Pflanzen gutginge. Glöckchen war die Elfe dieser Wiese und fühlte sich verantwortlich für das Leben, das hier gedieh. Ihren Namen hatte sie wegen ihres zartblauen Röckchens bekommen, mit dem sie der Wiesenglockenblume ähnlich sah. Ging es einem ihrer Schützlinge nicht so gut, versuchte sie zu helfen. So war Glöckchen beliebt bei allen und jeder freute sich, sie zu sehen.

Vom Duft der süßen Nachtluft betört, schwebte die kleine Elfe in dieser Nacht verträumt über Gräser und Hecken. Bis sie auf einmal unsanft festgehalten wurde.  „Was ist das? Au!“ dachte sie, als ihr bewusst wurde, dass sie unvorsichtig gewesen war und so in einem Spinnennetz gefangen war.

Wumm, der dicke Kreuzspinnenmann, hatte ein festes Netz gewebt, indem sich Glöckchen verfangen hatte. Die kleine Elfe heftete wie Pech, sodass sie sich nicht alleine befreien konnte. „Wumm!“, rief Glöckchen nun so laut es ging, „komm, hilf mir, aus deinem Netz!“ 

Glöckchen hatte nie etwas Böses kennengelernt. Für sie war klar, gleich würde Wumm kommen und ihr helfen. Stattdessen ertönte ein „Hi, hi, hi.“ Wumm kam aus seinem Versteck gekrochen und grinste böse. „Nun mach schon!“, drängelte Glöckchen, die sich in ihrer Lage gar nicht wohlfühlte. „Ich werde dir nicht helfen! Gleich kommt, Fedra, die Wiesenhexe. Vor ein paar Tagen ist sie bei mir eingezogen. Sie möchte dich kennenlernen.“  „Wumm, das kannst du nicht machen! Wir waren doch immer gut Freund.“ „Freund? Oft genug hast du Insekten aus meinem Netz befreit! Jetzt habe ich eine Freundin.“

In diesem Augenblick hörte Glöckchen schon das Gebraus von Fedras Besen. „Zu spät“, dachte Glöckchen gerade noch, da landete die Hexe bereits vor ihr. „Fein hast du das gemacht, Wumm!“, lobte sie. „Ich sehe, auf dich ist Verlass.“ „Na wie fühlst du dich?“ Die Hexe sah nun böse grinsend auf Glöckchen. „Wie soll ich mich schon fühlen?“, gab die Elfe zur Antwort. „Jetzt beginnt meine Herrschaft, du kannst es dir überlegen, entweder du verlässt diese Nacht noch die Wiese oder du bleibst auf Lebenszeit unsere Gefangene.“ Spöttisch grinste Wumm zu den Worten der Hexe, nun konnte er Insekten fangen nach Herzenslust. „Ich bleibe hier“, antwortete Glöckchen.

Die Tiere auf dieser Wiese liebten ihre Blumenelfe. „Sicher helfen mir meine Freunde, wenn der Tag kommt“, dachte sie.

Oh wie freute sich Wumm, nun müsste Glöckchen sogar zusehen, wenn ihre Freunde in seinem Netz zappelten, ohne dass sie helfen könnte. Kaum graute der Morgen, unternahm Siebenpunkt seinen Ausflug über die Heide. Er genoss es in den frühen Morgenstunden seinen Flug über die erwachenden Blüten anzutreten. Oft begegnete er auf seinen Flügen auch Glöckchen. „Wo mag sie nur heute sein?“, überlegte Siebenpunkt. Mit einem großen Bogen umflog er Wumms Reich. Nur zu gut wusste er, wie gefährlich dieser war. „Hatte dort nicht etwas Blaues geschimmert?“ Siebenpunkt war jetzt neugierig geworden. In nötigem Abstand umkreiste er den Brombeerstrauch, in dem die Spinne wohnte, dort gab es keine Blumen. Was hatte er dort nur leuchten gesehen? Diesmal wagte sich Siebenpunkt etwas näher heran. „Das ist ja Glöckchen!“ Fast hätte Siebenpunkt vor Schreck aufgeschrieben. Nun besah er sich die Sache. „Tatsächlich, Glöckchen ist von Wumms Netz gefangen“, stellte Siebenpunkt fest. Zuerst wollte er selbst helfen und Glöckchen einen Trost zuzurufen, dann besann er sich und flog so leise wie er gekommen war davon.

„Hier kann nur der dicke Hirschkäfer helfen!“ Siebenpunkt flog, so schnell er konnte, zu ihm. Nur mit Mühe konnte er den Käfer so früh am Morgen wecken. Ungnädig wurde Siebenpunkt angebrummt. „Schnell, schnell, Glöckchen ist in Gefahr, du musst helfen!“ Sofort war der Hirschkäfer auf seinen Beinen. Im Fluge berichtete Siebenpunkt, was er gesehen hatte. Als sie fast bei Wumms Netz angekommen waren, gebot der Hirschkäfer „Vorsicht!“ Sie landeten am Fuße des Brombeerstrauches und krochen behutsam vorwärts. Siebenpunkt flog eine Runde, um zu sehnen, ob Wumm zu Hause sei. Dieser hatte sich jedoch so sicher gefühlt, dass er sich tief im Strauch zu einem Schläfchen zurückgezogen hatte.  Als Siebenpunkt mit dieser Nachricht zurückkam, machte sich der Hirschkäfer, so schnell er konnte ans Werk. Mit seinem starken Geweih zerriss er Wumms Netz. „Schnell Glöckchen, steig auf meinen Rücken und halte dich fest!“ Glöckchen tat, wie ihm geheißen und bevor Wumm mitbekam, was in seinem Strauch geschah, waren die beiden Käfer mit Glöckchen verschwunden.

Die kleine Elfe bedankte sich bei ihren Rettern und nahm ein Bad in Tautropfen, um sich von Wumms Spinnweben zu säubern.

Die Hexe suchte sich eine andere Wiese, da sie hier ihr böses Spiel verloren hatte. Wo alle gute Freunde waren und sich gegenseitig halfen, hatte ihr Zauber keine Macht mehr. Wumm suchte sich im nahe gelegenen Wald ein neues Quartier.  (Christina Telker)

 

 

 

 

 
Dies ist eine mit page4 erstellte kostenlose Webseite. Gestalte deine Eigene auf www.page4.com
 
Omas Lesezimmer-Geschichten für unsere Jüngsten 0