Der kleine Sonnenstrahl

 

 Dicke Regenwolken hingen schwer über dem Land, schon einige Tage hatte sich die Sonne nicht blickenlassen. „Was ist das nur wieder für ein Sommer!“, schimpften die Menschen überall. Das hörte auch ein kleiner Sonnenstrahl. Durch eine winzige Wolkenlücke konnte er für Sekunden auf die Erde blicken. ‚So geht das nicht weiter‘, dachte er bei sich. ‚Wenn Frau Sonne zu müde ist, um sich mit den Wolken zu streiten, muss ich versuchen, die Menschen wieder heiter zu stimmen. Aber wie fange ich das nur an? ‘ Lange überlegte der kleine Sonnenstrahl, dann hatte er eine Idee. ‚Ich werde die Wolken kitzeln‘, nahm er sich vor. Aber dann fiel ihm ein, dass die Wolke beim Kitzeln sicher niesen müsste und dann würde es noch mehr regnen. ‚Das geht also auch nicht‘ überlegte er weiter. Weil er alleine nicht weiterkam, beriet er sich mit den anderen Sonnenstrahlenkindern und alle beschlossen: „Wir müssen auf die Erde!“

So schlossen sich die kleinen Sonnenstrahlen zusammen und zwängten sich mit aller Macht durch eine Wolkenlücke. Davon wurde nun Frau Sonne munter, gab ihre ganze Wärme und hatte in ein paar Stunden die Wolken verdrängt. ‚Dass mich erst meine Kinder an den Sommer erinnern müssen‘, wunderte sie sich. ‚Ich glaube, ich werde alt.‘ Wie sehr freuten sich Mensch und Tier, dass endlich wieder die Sonne schien.

Die kleinen Sonnenstrahlen sahen sich zuerst einmal auf der Erde um. Der eine trocknete die Pfützen aus, ein anderer trocknete die Wiese, damit Hase und Reh wieder ausreichend Futter zur Verfügung stand. So hatte jeder der kleinen Strahlen eine Aufgabe, die er gewissenhaft versah. Anschließend kehrten sie zu Mutter Sonne zurück und berichteten ihr, was sie alles auf der Erde erlebt hatten.  Keinem war aufgefallen, daß ein kleiner Sonnenstrahl fehlte. Für ihn gab es hier so viel zu entdecken, daß er gar nicht merkte, wie Mutter Sonne weitergezogen war. Erst als der Mond aus seinem Wolkenbett stieg, merkte der kleine Sonnenstrahl, daß es dunkel geworden war. ‚Oh, was wird nun bloß aus mir? Hätte ich doch nur besser aufgepaßt! ‘  Traurig zog sich der kleine Sonnenstrahl, unter eine schlafende Glockenblume zurück, um sich dort vor dem Mond zu verbergen. Dieser hatte ihn jedoch längst entdeckt. „Du bist aber unvorsichtig!“, brummte er vor sich hin. „Ich hoffe nur, meine Sternlein passen besser auf sich auf als du, wenn sie mal auf der Reise sind. Weißt du eigentlich, dass du dein Licht verlierst, wenn die Dunkelheit kommt, und dann kommst du nie mehr zu Mutter Sonne zurück.“ Irgendwie tat ihm der kleine Sonnenstrahl leid und er meinte: „Komm schon her! Verbirg dich in einer Wolke, dann kann dir mein Mondlicht nicht schaden. Am Morgen wanderst du dann mit der Wolke weiter zu Mutter Sonne. Pass aber gut auf, dass dich mein Mondlicht nicht erreicht, sonst kann ich dir auch nicht mehr helfen!“ „Danke, ich will alles machen, wie du es sagst“, antwortete der kleine Sonnenstrahl ängstlich. Nun schob sich eine dicke Wolke vor den Mond, um den kleinen Sonnenstrahl aufzunehmen. Die Nacht verging ihm diesmal viel zu langsam. Als der Morgen graute, bat er die Wolke, nur möglichst schnell zu Mutter Sonne zu wandern, da ihn mächtig fror. Gerne tat ihm die Wolke den Gefallen und schon bald war der kleine Sonnenstrahl wieder bei seinen Geschwistern. Die Sonne strahlte gleich noch einmal so hell, vor Freude alle ihre Kinder wieder beisammen zu haben. Sie gab der Wolke Grüße an den Mond mit und dankte ihm für die Rettung ihres Kindes.

(Christina Telker)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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